Schon länger trage ich mich mit dem Gedanken, etwas zum Thema Hochsensibilität zu schreiben. Denn ich weiß, dass viele Leser von Himbeermond und der Nachfolgebände genau wie ich selbst zu den empfindsameren Zeitgenossen gehören.

Was bedeutet Hochsensibilität?

Man sagt, dass etwa zwanzig Prozent der Menschen sensibler sind als der Durchschnitt – wir lesen zwischen den Zeilen, sind stärker durch andere beeinflussbar, sind begeisterungsfähig, aber auch leichter irritierbar. Einige von uns nehmen Lärm, Schmerzen oder grelles Licht stärker wahr. Da Hochsensible intensiver wahrnehmen, verfügen sie über mehr Gefühle, jedenfalls ist das mein Eindruck.

Auf der anderen Seite der Skala, ganz weit auf der anderen Seite, befinden sich die Psycho- oder Soziopathen, mit denen ich mich in Lindenmond beschäftigt habe. Das sind Menschen, die nur sehr wenig empfinden, deshalb kaum von Mitgefühl gesteuert werden und ohne schlechtes Gewissen über Leichen gehen. Psychopathen können in unserer Gesellschaft sehr erfolgreich sein, denn heutzutage stehen Selbstdarstellung und marktschreierisches Auftreten hoch im Kurs.

(Mir fällt es zum Beispiel immer noch schwer, das Wort „Bestseller“ auf meine Homepage zu schreiben, obwohl es keine hohle Phrase ist, sondern stimmt, denn ich habe schon ziemlich viele Bücher und E-Books verkauft. Aber jedes Mal, wenn ich die Startseite überarbeite, fühle ich mich wie eine Heuchlerin.)

Was hat das mit Himbeermond zu tun?

Oft bekomme ich Mails, in denen Leser/innen beschreiben, dass sie sich in dem Thema von Himbeermond wiederfinden. Die Hauptprotagonistin Lina ist auf besondere Weise sensibel – sie kann nicht nur Gefühle als farbige Auren sehen, sondern sie saugt die Gefühle der anderen Menschen wie ein Schwamm in sich auf.

Aber es ist gar nicht so wichtig, ob man empathisch ist und direkt von Gefühlen beeinflusst wird, oder ob man die Mimik und Gestik anderer Menschen genau beobachtet und dann mit eigenen Emotionen auf das Gesehene reagiert. Das Ergebnis ist dasselbe: Man empfindet in einer Situation stärkere Emotionen als der Durchschnitt.

Das Zusammensein mit anderen Menschen kostet uns mehr Kraft als die Normalbevölkerung – aber in der richtigen Konstellation kann es auch viel Energie bringen und uns erfrischen und unsere Batterien aufladen.

Meine Tricks für den Alltag

Ich bin kein Profi auf diesem Gebiet, obwohl ich mich als Autorin wegen meiner Geschichten regelmäßig mit dem Thema beschäftige. Trotzdem habe ich über die Jahre einiges gelernt, und das möchte ich mit euch teilen. Hier sind also Mellas Tipps für den Umgang mit der eigenen Empfindsamkeit:

Vertraue deiner Intuition

Ich weiß nicht, wie viele Jahre ich immer dachte, dass die Meinung der anderen mehr zähle als meine eigene. Ich war unsicher, habe hinterfragt. Aber wer badet die Fehler aus, wenn ich eine Entscheidung treffe? Ich! Also sollte doch auch ich entscheiden, oder? Weil andere selbstsicher durch die Gegend rennen, macht uns das unsicher.

Ich habe mir früher immer einen Mentor gewünscht, einen gemütlichen und erfahrenen Business-Opa, der mich an seine schrumpelige Hand nimmt und mir die Berufswelt erklärt. Gab es natürlich nicht und ich musste meine Erfahrungen alle selbst machen. Seit ich meiner Intuition vertraue, läuft mein Leben deutlich flüssiger und geschmeidiger ab.

By the way: Wenn ich auf den Rat der anderen gehört hätte, gäbe es heute meine Bücher nicht! Und von dem Feedback, das ich von den Lesern bekomme, besonders über meine Facebook-Seite, weiß ich, dass das viele sehr schade fänden. Tja, um ein Haar hätte ich auf andere gehört und … Zum Glück ist es nicht so gekommen.

Kümmere dich um dich selbst

Hochsensible denken zuerst an das Glück anderer Menschen, erst dann an sich selbst. Und ehe wir uns versehen, haben wir wieder ja gesagt, obwohl wir nein fühlten, getrieben von unserem starken Verantwortungsgefühl für unsere Mitmenschen.

Achte auf deine Bedürfnisse und übe dich darin, nein zu sagen, wenn es angebracht ist. Dieser Punkt fällt mir immer noch schwer. Einige Male bin ich vor die Wand gefahren, weil ich Dinge versprach, die ich dann doch nicht halten konnte, weil mir Zeit oder Energie fehlten.

Ein gesundes Nein schützt deinen Akku und stärkt die Beziehung zu den anderen, denn wer nicht für alles verfügbar ist, steigert seinen Wert. Zu dieser Regel gibt es für mich nur sehr wenige Ausnahmen, und die befinden sich im allerengsten Familienkreis. Aber ansonsten versuche ich, meinen Akku möglichst zu schonen und ihn regelmäßig aufzuladen.

Gelassen durch Hochs und Tiefs

Jetzt ist wieder meine Zeit – wenn es dunkel wird, dann verfalle ich leicht in den Winterschlaf. Im Leben wechseln sich Hochphasen und Tiefs ab, genau wie beim Wetter. Und Hochsensible scheinen eine größere Amplitude zu haben als „normale“ Menschen. Daher achte ich genau auf den Zustand, in dem ich mich gerade befinde.

In einem Hoch bremse ich mich ein bisschen, um mir die nötige Erholung zu geben, und in einem Tief aktiviere ich mich, um nicht vollständig in den Winterschlaf zu verfallen, damit ich nicht in einen Teufelskreis gerate. Vielleicht ist es bei dir auch genau umgekehrt, und du musst dich in einem Tief schonen und erholen. Du bist dein Experte. Finde es heraus.

Bleibe bei dir

Manchmal, wenn es zu viel wird, wollen wir von den Gefühlen weglaufen. Aber paradoxerweise geht es uns viel besser, wenn wir tief durchatmen und bei uns bleiben, statt panisch davonzufliegen. Spür in dich hinein und versuche herauszufinden, was du jetzt brauchst.

Das kann am Anfang irritierend sein, denn unser Körper gleicht in den Botschaften, die er uns sendet, eher einem Tier oder einem kleinen Kind als einem rationalen und logischen Wesen. Bleib bei dir und kümmere dich um dich, wie du dich um dein eigenes Kind kümmern würdest. (Und ich meine das ganz konkret, es geht nicht um inneres Kind oder so ein Zeug.) Überlege, was dir JETZT gut tun könnte, experimentiere und lerne.

Erzähle es niemandem

Dieser Rat ist ein bisschen merkwürdig, aber es ist der wichtigste Tipp, den ich für dich habe, und ich werde dir jetzt erklären warum:

Ich habe eine liebe Kollegin, die mich mittlerweile als schräge und sensible … naja, so genau weiß ich nicht, welches Bild sie von mir hat, aber es ist weit entfernt von dem, was ich gerne sehen würde.

Was habe ich falsch gemacht? Ich habe ihr erzählt, wie ich fühle und was in meinem Inneren vorgeht. Und das hat sie nicht verstanden – kein Wunder, ist sie doch ein vollkommen anderer Charakter als ich. (Anders, aber sehr liebenswert!)

Besser ist, du erzählst, was du vom anderen benötigst. Gib den Menschen keinen komplexen Bauplan deiner Seele, gib ihnen eine leicht verständliche Bedienungsanleitung.

„Ich bin müde und muss mich erholen. Ich brauche jetzt bitte zwei Stunden Zeit für mich.“

Das ist eine konkrete Anleitung. Das kann jeder verstehen, sogar ein Psychopath. Du kannst jemanden um einen Gefallen bitten, ohne zu erklären warum. Die Musik ist dir eben zu laut, ja und? Das Wort „sensibel“ muss nicht fallen.

Aber keine Regel ohne Ausnahme: Mit Menschen, die ähnlich ticken wie du und die viel Zeit mit dir verbringen, kannst du nach und nach ein paar Baupläne zu deiner persönlichen Hochsensibilität austauschen. Aber glaub mir, dein Leben wird leichter, wenn du dich im Umgang mit Bekannten, Kollegen und oberflächlichen Freunden auf die Bedienungsanleitung beschränkst. Und auch für sie wird der Umgang mit dir leichter. Sie werden dankbar sein, wenn sie wissen, dass du laute Musik nicht magst, und sie leiser stellen, wenn du im Raum bist. (Das ist nur ein Beispiel, ich mag laute Musik gerne, gerade auch beim Schreiben.)

Ein paar Worte zum Schluss

Es gibt sicher noch viel mehr Punkte, vielleicht schreibe ich demnächst einen Artikel zum Thema Hochsensibilität bzw. HSP. Vergesst nicht, ich bin kein Coach oder Profi, sondern nur eine Autorin, die Themen, die sie bewegen, in ihren Büchern verarbeitet.

Und wenn du nachsehen möchtest, was mich alles beschäftigt, dann schau doch mal bei meinen Büchern vorbei, besonders die Colors-of-Life-Reihe, die Leser oft als Mondbücher bezeichnen, passt zu diesem Artikel.